Tag Archive: Wein



Der weinende Trinker

Karl Joseph Simrock war Jurist, Germanist und Schriftsteller. Unter anderem übertrug er das  Nibelungenlied ins Neuhochdeutsche.

Karl Joseph Simrock war Jurist, Germanist und Schriftsteller. Unter anderem übertrug er das Nibelungenlied ins Neuhochdeutsche.

Als Anno eilf gekeltert war,
Schien noch die Sonne hell und klar.

Die Sonne schien so klar und heiß;
Vor seiner Thüre weint‘ ein Greis,

Hielt in der Hand ein Glas mit Wein
Und helle Thränen tropften drein.

„Was weinst du, guter alter Mann,
Hat dir ein Feind zu nah gethan?“

Zu nah gethan hat mir kein Feind:
Ich weine, weil die Sonne scheint.

„Wie sprichst du kindisch, unbedacht!
Wer weint denn, weil die Sonne lacht?“

Auch wein ich, weil der Wein so gut;
Gar köstlich schmeckt dieß Traubenblut.

„So bist du, Alter, nicht bei Trost:
Wer wäre gutem Wein erbost?

„Um guten Wein und Sonnenschein
Soll man von Herzen fröhlich sein.“

Darauf der Alte schluchzend spricht:
„Das, lieber Herr, versteht ihr nicht.

„Wie würd erst dieser Wein so gut,
Wenn er noch hieng‘ in solcher Gluth?

„Daß wir zu früh gelesen han,
Darüber wein ich alter Mann.“

Ein edler Wein wuchs Anno elf:
Daß Gott uns bald an beßern helf!

Karl Simrock (1802-1876)


Frans Hals: Der fröhliche Trinker (ca. 1582)

Die schweren Zeiten

Ach, ach, wie sind die Zeiten schwer,
Man möchte bald vergehen!
Flink Wein daher, flink Wein daher,
Daß wir sie überstehen!
Flink Wein daher, flink Wein daher,
Daß wir nicht gar vergehen!

Der Wein hat Schultern groß und stark,
Wirft Sorg‘ und Plag‘ und allen Quark,
Mit Saus und Braus
Zum Haus hinaus!

August Kopisch (1799-1853) , deutscher Historienmaler und Schriftsteller.

Anmerkung: Ein Wiener hätte selbstverständlich nicht von Quark schreiben können. Die korrekte Form Topfen reimt sich jedoch auf Hopfen, weshalb ein Wiener Autor aus demselben Material wohl ein Biergedicht verfasst hätte…


Trinkers Entschuldigung

Friedrich Wilhelm von Schadow: Porträt von Immermann

Friedrich Wilhelm von Schadow: Porträt von Immermann

Wenn mir das Haupt ein wenig toll,
Wenn mir die Füße taumeln,
Da schreit ihr gleich schon wieder voll!
Seht nur den Säufer schwaumeln!

Ich trinke, trinke, ihr habt Recht —
Und steck‘ in nassen Häuten;
Doch daß ihr schmäht, ist äußerst schlecht,
Pfui! Pfui euch harten Leuten!

Muß ich denn nicht zu eurem Schutz
So oft mich innen baden?
Und muß ich nicht zu eurem Nutz
Mir selbst durch Zechen schaden?

Den Brand hab‘ ich im Leibe, wißt!
Seit meiner Jugend Tagen,
Der stündlich im Begriffe ist,
Aus mir heraus zu schlagen.

Merk‘ ich die Hitze, greif ich schnell
Mit meinen beiden Händen
Nach allem Nassen, was zur Stell‘,
Um Feu’rsbrunst abzuwenden.

Ein ganz vertrackter Teufelsbrand!
Das Wasser macht ihn bunter;
Wein: ächter Jahrgang, gutes Land,
Der hält ihn eben unter.

So eben unter, daß er nicht
Die ganze Stadt verheeret;
Daß er an mir, mir armen Wicht,
Nur innen schwehlt und zehret.

So hab‘ ich fürs gemeine Wohl
Mich tausendmal betrunken:
Daß euren Spott der Henker hol‘!
Wie tief seyd ihr gesunken!

Es wär‘ viel besser, wie mir däucht —
Erwägt’s beim nächsten Mosten,
Ihr hieltet mich beständig feucht
Auf öffentliche Kosten!

Karl Leberecht Immermann (1796-1840)

Karl Leberecht Immermann war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker


Beisl

Quelle: Wiener Beisln. Hg. Hubert Chr. Ehalt. Wien 1985

Alles mögt Ihr, alt und jung,
Mit Bedacht besorgen,
Von der Abenddämmerung
Bis zum hellen Morgen.

Darnach sollt Ihr jede Nacht
Euch als Trinker richten
Und erfüllen mit Bedacht
Eure Durstes-Pflichten.

Dieser Keller ist ein Amt,
Drin seid Ihr die Schwitzer.
Daß das Amt Euch recht entflammt,
Harret aus als Sitzer.

Eifer mög‘ Euch zeitlich schon
Nach den Fassetn treiben;
Dafür dürft Ihr dann zum Lohn
Desto langer bleiben.

Denkt niemal der Stundenzahl,
Die Euch vorgeschrieben;
Seid gewohnt, den Tonnensaal
Zeitlos fortzulieben.

Beugt Euch unwillkührlicher
Amtzeit-Überschreitung;
Schämt Euch vor ausführlicher
Durchgeh-Vorbereitung.

Bleibt im Bauch getreu dem Brauch,
Guten Wein zu nehmen;
Habt Ihr guten, mögt Ihr auch
Euch zu viel bequemen.

Gebet acht und seid bedacht,
In des Kellers Räumen,
Da Euch leuchtend lacht die Nacht,
Ja Nichts zu versäumen.

Merkt Euch, selber dürsten macht
Traurig unsre Kehle,
Bei der Andern Bürsten lacht
Nie die eigne Seele.

Trachtet, daß das Parlament
Hier in Kellers Gründen
Sich von Anfang bis zu End‘
Lustig mag verkünden.

Ehrt mit Miene, Wort und Schluck
Diese rechte Kammer,
Denket nie beim Gluck! Gluck! Gluck!
An den Katzenjammer.

Ludwig Gottfried Neumann (1813-1865), Beamter, Lehrer, Schriftsteller
aus: Trinklieder eines Wiener Poeten, Wien 1858