Der Großteil der in Wien Lebenden sind Zuagraste, die sich in einer erstaunlichen Metamorphose in Wiener verwandeln. Um ihnen bei diesem Prozess behilflich zu sein, stellt die Initiative Leiwand redn hier in äußerst unregelmäßigen Abständen Unterlagen zur Weltsprache Wienerisch bereit.
Kleiner Sprachführer zum Thema Essen und Trinken in Wien II | |
Das Trinken |
Einen noch höheren Stellenwert als das Essen genießt das Trinken. Oft gelten üppige Mahlzeiten bloß als Unterlåg (Fundament) für noch üppigeres Trinken. Da sich der Wiener aber nicht gerne als Alkoholiker bezeichnen lässt, wendet er verschiedene Methoden der Rechtfertigung an. Bei Biertrinkern ist an heißen Sommertagen die meteorologische Methode besonders beliebt. Zwaradreißg Krügel im Schåttn heißt soviel wie: Zweiunddreißig Grad Celsius.
Hitze wird also in Krügeln (ein Krügel = ein halber Liter Bier) gemessen. Das Seidl (ein Drittel Liter Bier) wird als meteorologisches Maß hingegen nicht verwendet. Das Hauptgetränk des Wieners ist jedoch der Wein, vor allem der Veltliner (Weißweinsorte). Um diesen zu trinken, pilgert er gerne zum Heurigen. Das Ergebnis solcher Besuche sind Räusche in verschiedenen Ausprägungen. |
Das Vokabular |
Achterl, das: Kleinste ausgeschenkte Menge in Lokalen des Stadtgebietes
an Åffn hobn: betrunken sein ångstrudelt sein: kleines Räuschlein åweschwabn: Ruckartig hinunterkippen bipperln: trinken, vom lat. bibere den Håhn kriagn: Lokalverbot ausfassen dippln: trinken Doppler, der: Zweiliterflasche fett: Fett oder im Öl sein: hoher Trunkenheitsgrad; voifett: (vollfett) sehr hoher Trunkenheitsgrad; die höchste Stufe wird mit blunznfett (blutwurstmäßig betrunken) bezeichnet. Der derart erreichte Zustand ist die Fettn. Gschlåder, das: ein schlechtes Getränk. Kommt vom „Sloda“(mhd.), einer Mischung aus Wasser und Lehm, aus der Gott laut Bibel Adam formte. Gschpritzter, der: Mit Sodawasser verdünnter Wein. Der Gschpritzte wird grundsätzlich in einem Viertel-Glas serviert und erfreut sich höchster Beliebtheit, weil man zügig trinken kann, ohne gleich umzufallen. Beim Heurigen ist es üblich, eine Flasche Soda oder Mineral (Mineralwasser) zu ordern und selbst zu spritzen. Guat gschpritzt bedeutet dabei einen möglichst kleinen Wasseranteil. Hådern, der: schwerer Rausch Hülsn, die: Flasche Bier a Lackerl: Eine besonders geringe Flüssigkeitsmenge. Lita, der: Begibt man sich in Gesellschaft zum Heurigen, wird Wein in Karaffen (ein Liter Füllmenge) bestellt. Ölung, die: Zustand schwerer Betrunkenheit. Rauschkugl, die: ständig Betrunkener; sollte dieser für Nachwuchs sorgen, so entsteht ein Rauschkind. Reiseachterl, das: Ein allerletztes Achterl Wein, um sich für den Heimweg zu wappnen. schledern: besonders zügig trinken Schweigl, das: mittlerer Rausch mit besonderer Redefreudigkeit Schwipserl, das: erste milde Wirkung, kein Rausch Schwül, der: von der Rausch-Intensität her ähnlich dem Schweigl, jedoch die wortkarge Variante Stehachterl, das: Ein im Stehen an der Bar oder am Tresen getrunkenes Achterl Sturm, der: In Gärung befindlicher Traubensaft, zeitigt je nach Gärungsstadium verheerende Wirkungen in Hirn und Darm. Vierterl, das: Ein Viertel Liter, die Grundeinheit beim Heurigen Weindippler, der: Gewohnheitstrinker zua sein: Verschlossenheit, Unempfänglichkeit für Kommunikationsversuche. |
Die Sperrstunde |
Die Sperrstund ist das Schlimmste, das einem Zecher passieren kann. Individuelle Sperrstunden-Regelungen ermöglichen es jedoch, Nächte durchzumåchn.
Die Sperrstund wird auch metaphorisch für den Abgang aus dieser Welt verwendet, wobei es Gerüchten nach im Himml ka Sperrstund gibt. Nach durchzechter Nacht wenden sich viele Übernachtige wiederum dem Biere zu. A Gulasch und a Seidl Bier ist eine beliebte Frühstücksvariante. |
Aus dem Buch: Wienerisch – das andere Deutsch von Beppo Beyerl, Klaus Hirtner und Gerald Jatzek, erschienen im Bernd Rump Verlag. | |
Mehr: Wienerisch, Folge 1 |